Wirtschaftsspiegel Thüringen - Sonderheft Ostthüringen - page 5

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Nachgefragt
Sie sind jetzt seit 2002 im Amt. Sie
waren lange Jahre in Zentralasien
und in Nordafrika tätig, sind also
mit dem Blick von auSSen ins Amt
gestartet. Hilft so etwas?
Unbedingt. Den Blick von außen habe ich
mir bewahrt ebenso wie mein persönliches
Leitbild: Einerseits keine Schönfärberei,
andererseits mehr Wertschätzung für das
Erreichte. Was man im Ausland lernt, ist
viel Geduld, Verständnis für sein Gegen-
über, Leben und Arbeiten auch unter sehr
schwierigen Bedingungen. Und man lernt
die Gratwanderung zwischen Diplomatie
und stiller Arbeit hinter den Kulissen einer-
seits und klaren Worten und Entscheidun-
gen andererseits.
Beruflich unterwegs war ich in der Au-
ßenwirtschaft und als Dienstleister. Ich
habe den Aufbau einer funktionierenden
Wirtschaftsförderung und des deutschen
Wirtschaftsbüros in Zentralasien vorange-
trieben. Wir haben als deutsche Auslands-
handelskammer in Tunesien tunesische
Mitgliedsunternehmen unterstützt,
deutsche, oft familiengeführte Mittel-
ständler beraten, begleitet und betreut, bei
der Ansiedlung vor Ort, beim „Nachzug“ der
eigenen Zulieferer. In gewisser Weise ähnli-
che Arbeitsfelder wie in der deutschen IHK.
Diese unternehmensorientierte Berufs-
praxis hilft, unsere IHK immer wieder neu
auszurichten am aktuellen Bedarf unserer
Ostthüringer Unternehmen. Daneben nutze
ich die Erfahrungen und die mitgebrachten
Netzwerke, um unsere Unternehmen zu
unterstützen beim Geschäftsaufbau auf
ausländischen Märkten.
Was waren die wichtigsten Meilen-
steine in wirtschaftspolitischer
Sicht in Ihrer bisherigen Amtszeit?
Wirtschaftspolitisch relevante Heraus-
forderungen lassen sich fast nie auf
einen IHK-Bezirk begrenzen. Wir blicken
immer auch über den IHK-Bezirk hinaus,
genau wie unsere Unternehmen. Vieles in
Berlin und Brüssel ist gut gemeint, jedoch
schlecht gemacht, ohne umfassende Fol-
genabschätzung für die Wirtschaft. Oft
finden wir uns in der Rolle einer „Repara-
turbrigade wirtschaftspolitische Folge-
schäden“. In den letzten Jahren ging es
beispielsweise um Rechtssicherheit bei
Abwassergebühren, Eindämmung von
Bürokratie bei der EU-“Reach“-Chemikali-
enpolitik, Verhinderung von „Wassercent“
und „Bildungsurlaub“, also Eintreten
gegen Überregulierung und Maßregelung
der Unternehmen, Ausgestaltung der
Energiewende, an der die eigene Wirt-
schaft nicht erstickt.
Auch bei der Förderpolitik im Freistaat
haben wir als streitbarer Partner der
Politik Unternehmerstandpunkte vertreten
und erfolgreich mitgestaltet, so bei der
Ausarbeitung praxisnaher Richtlinien in der
Thüringer Außenwirtschaftsförderung.
Als Stimme der Wirtschaft werden wir von
der Politik durchaus gehört und ernstge-
nommen. Nicht zuletzt haben wir die IHK
neu aufgestellt - als modernen Dienstleis-
ter, in einem kontinuierlichen Prozess.
Mit Jena haben Sie eine Stadt im
Kammerbezirk, die bundesweit eine
gewisse Leuchtturmfunktion hat.
Was hat man hier richtig gemacht,
wovon andere lernen können?
Die frühe systematische Unterstützung
und Begleitung von Aus- und Neugründun-
gen - war wohl einer von Lothar Späths Er-
folgsfaktoren - nach der heftig kritisierten
Zerschlagung der Kombinatsstrukturen.
Der unbestrittene Erfolg vieler prospe-
rierender Mittelständler in und um Jena
gibt ihm letztendlich Recht. Ein weiterer
Erfolgsfaktor ist ein in Jena besonders tief
verwurzelter „natürlicher Kooperationswil-
le“ untereinander und eine traditionell enge
Verzahnung von Wissenschaft, Forschung
und Industrie. Hinzu kommt eine pragma-
tische, an den Unternehmen ausgerichtete
Wirtschaftsförderung – schlank und
mit Herzblut für Jena dabei. Die Summe
dieser Faktoren half Jena auf dem Weg
zur Leuchtturmfunktion, die inzwischen
der ganzen Region nutzt. Aber: Erfolg ist
endlich - auch die Akteure in Jena müssen
am Ball bleiben.
Was ist dran an dem gelegentlich
gehörten Vorwurf, die Landespoli-
tik nehme Ostthüringen – und hier
insbesondere die Region östlich
des Hermsdorfer Kreuzes – nur
unzureichend wahr?
Das hören wir immer wieder. Manche
nach Erfurt und Umgebung geholte
größere Industrieinvestition wird hier
gelegentlich als Indiz für Benachteiligung
gewertet. Was uns jedoch eher umtreibt
– mit Blick auf die breite Öffentlichkeit
und manche Politiker nicht nur in Erfurt:
Wir brauchen wieder mehr Wertschät-
zung für das Unternehmertum – bei der
Politik und in unserer Gesellschaft. Geld
muss immer erst verdient werden, bevor
Politik es verteilen kann. Dem Unter-
nehmer, der Arbeitsplätze schafft, der
Werte schafft und Steuern zahlt, muss
Bewegungsfreiheit gelassen und mehr
Vertrauen entgegengebracht werden in
seinen Entscheidungen.
Übrigens auch eine hier zutreffende Aus-
landserfahrung: Zufriedene Unternehmer
vor Ort sind die besten, weil glaubwür-
digsten Botschafter für den Wirtschafts-
standort Thüringen.
In welchen Branchen sehen Sie das
gröSSte Potenzial für die Zukunft
der Ostthüringer Wirtschaft?
Wir maßen uns nicht an, zukunftsfähige
oder weniger zukunftsfähige Branchen
festzulegen. Recyclingwirtschaft und
Maschinenbau können Innovationen
hervorbringen ebenso wie „green energy“
oder IT, e-Commerce oder Biotechnolo-
gie, Optoelektronik oder Medizintechnik.
Entscheidend wird gewiss auch sein, ob
die vielen Kleinst- und Kleinunternehmer,
kleineren Mittelständler der Nachwen-
dezeit rechtzeitig Nachfolger finden und
sich mit ihren Alleinstellungsmerkmalen
behaupten können, z.B. durch mehr Ko-
operationen untereinander.
Zum Schluss noch eine
persönliche Frage: Was ist Ihr Lieb-
lingsort in Ostthüringen?
Was muss man unbedingt gesehen
oder erlebt haben?
Der Bleilochstausee. Und den früh am
Morgen oder kurz vor Sonnenuntergang
hoch- und runterfahren, von Saaldorf nach
Saalburg und zurück, ohne Motor aus eige-
ner Kraft, nicht nur im Sommer - übrigens
mein regelmäßiger „Ruder-Halbmarathon“.
Das ist so idyllisch wie gesund.
Peter Höhne,
Hauptgeschäfts-
führer der IHK
Ostthüringen zu
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